"Cryptopia", South by Southwest Festival u.a.

News aus dem "Facebook Live" vom 17.03.

Nachdem das eigentlich für Dienstag geplante "Facebook Live" wegen technischer Probleme verschoben werden musste, fand es gestern Abend statt. Jean-Michel war diesmal nicht nur auf Facebook zu sehen, sondern auch auf der Gaming-Streamingplattform "Twitch". Dies soll auch künftig der Fall sein. Mit dabei und auch die Kommentare auf Twitch betreuend, war Joachim Garraud, mit dem Jean-Michel u.a. bei "Metamorphoses" und auch "Electronica" zusammengearbeitet hat.
Jean-Michel berichtete über seine Teilnahme am "South By Southwest"-Festival (sxsw), dass normalerweise in Austin/USA stattfindet, in diesem Jahr aber in Form einer virtuellen Ausstellungshalle. Es läuft vom 16. bis 20. März. Jean-Michel ist dabei an zwei Events beteiligt. Eines war die exklusive Wiederaufführung seines Silvester-Konzerts "Welcome To The Other Side" in VR, die gestern Abend um Mitternacht europäischer Zeit noch für zwei Stunden stattfand. Während des gesamten Festivals wird es außerdem als spezielles Event die Afterparty des Konzerts geben. Um an dem kompletten Festival teilzunehmen, benötigt man allerdings ein Ticket (Kostenpunkt: "nur" 399 $).

Zudem wurde gestern Abend eine binaurale Version von "Welcome To The Other Side" beim französischen  Radiosender "fip" gesendet. fip ist auf verschiedene Arten von Musik spezialisiert und wurde nach Jean-Michels Worten vom Präsidenten von Twitter als "bester Radiosender der Welt" bezeichnet. Um 21 Uhr wurde die "normale" Audioaufnahme des Konzerts per Radio ausgestrahlt und gleichzeitig die binaurale Version über das Webradio von fip. Die binaurale Version habe er in Zusammenarbeit mit dem großartigen Studio von Radio France abgemischt. Mit binauralem Ton könne man in das Gehörte eintauchen, das funktioniere aber im Gegensatz zu 5.1 nur über Kopfhörer, erläuterte Jean-Michel.
Er habe drei Wochen im Radio France-Studio gearbeitet, um die binaurale Version von "Welcome To The Other Side" und auch eine binaurale Version von "Amazonia" zu produzieren, sagte Jean-Michel. Das Ergebnis sei außergewöhnlich und er wolle im nächsten Facebook Live Anfang April etwas ausführlicher darüber sprechen.

Ein weiteres Event in Verbindung mit dem sxsw-Festival sei außerdem die Eröffnung der ersten "Crypto-Art"-Galerie. Im Moment sei diese nur für die Besucher des Festivals geöffnet, er wolle dies aber weiterentwickeln und bald werde es eine Galerie auf seiner offiziellen Website jeanmicheljarre.com geben. Die Galerie auf dem Festival kann man über VR wie eine echte Kunstgalerie betreten. Zu sehen sind 19 Schwarzweiß-Bilder vom "Welcome To The Other Side"-Konzert, mit Abmessungen von 3,5 x 2,5 m. Zudem gebe es drei exklusive Videoloops in Schwarzweiß, für die er in den letzten Tagen exklusive Musik komponiert habe. Das ganze Projekt habe er "Cryptopia" genannt. Zum einen wegen der Verbindung mit einer Krypta in einer Kathedrale und zum anderen wegen "Crypto-Art". In einer Krypta würden geheimnisvolle Dinge und exklusive Inhalte deponiert. Diese neue Welt wolle er in naher Zukunft weiter entwickeln, beginnend mit diesen drei exklusiven Videoloops mit exklusiver Musik, die in naher Zukunft bei einer Auktion im Rahmen des Crypto-Art-Systems versteigert werden sollen. Die Namen der drei Loops sind: "The Encoders", "Mother" und "Time Capsule". Von letzterem zeigte er den Zuschauern dann einen Ausschnitt.
Er liebe die Idee von Schwarzweiß-Bildern, insbesondere in Zeiten, in denen alles vielfarbig sei. Er liebe auch Schwarzweiß-Fotografien, was ja auch zu seiner Zusammenarbeit mit Sebastiao Salgado passe.
Für das Stück "Time Capsule" habe er eine hypnotische Stimmung schaffen wollen, bei er auch die Orgel Verwendung finden sollte, um die Stimmung einer Kathedrale einzubauen, das ganze aber in einem minimalistischen, hypnotischen Stil.

Für alle, die mit dem Konzept der "Crypto-Art" nicht vertraut sind, soll eine Info auf Facebook und Twitch online gestellt werden. Kurz gesagt, handelt es sich dabei darum, die Idee eines Originals, wie z.B. eines Gemäldes, zu verschlüsseln. Den Unterschied zwischen der Mona Lisa im Louvre und einer Reproduktion mache die Idee des Originals aus. Seit "Music For Supermarkets" sei er an dieser Idee in der Musik sehr interessiert. In Zeiten des Internets sei Musik immer weniger wert. Er kämpfe schon seit längerem für die Rechte der Musiker. Dabei ginge es nicht um ihn, er fühle sich sehr privilegiert und habe seine erfolgreiche Karriere und könne von seiner Arbeit leben. Aber es gebe so viele junge Künstler, die dies nicht könnten. Das sei unfair. Und wegen der Pandemie könnten Musiker auch keine Konzerte geben und damit Geld verdienen. Es gebe auch viele Musiker, die gar nicht auf die Bühne gehen wollten, die als Komponisten oder Textdichter im Hintergrund arbeiteten. Sie könnten nicht angemessen von ihrer Kunst leben. Die Idee den Wert von Musik wieder herzustellen, sei für ihn daher sehr wichtig. Crypto-Art könne eine Lösung dafür sein. Er sage nicht, dass es die Lösung sei, aber zumindest stelle er die Frage. Warum solle man nicht sagen, dass jemand seine Original-Arbeit, wie ein Gemälde, an jemanden verkaufe. Dies könne jungen Künstlern helfen, von ihrer Arbeit zu leben. Er wolle diesen Weg in den nächsten Monaten etwas erkunden und sehen, ob sich daraus etwas Positives entwickle. Dabei sei er sich sehr wohl bewusst, dass es bei Crypto-Art und dem Crypto-System auch Umweltbedenken gebe. Darüber mache er sich natürlich auch Gedanken. Der Carbon-Fußabdruck seiner Aktivitäten in diesem Bereich werde daher ausgeglichen durch eine NGO namens "Carbon 180", die seiner Ansicht nach eines der besten Systeme biete, um Aktivitäten im Netz auszugleichen.
Diese Idee des Originals schließe auch nicht aus, dass z.B. die Musik und die schwarzweißen Videoloops, trotzdem für alle käuflich zu erwerben seien. Denn auch bei einem Gemälde könne es ja das Original und Kopien geben.
Als er das erste Mal von Crypto-Art gehört habe, hätte er gleich an "Music For Supermarkets" denken müssen. Er habe damals die Frage eines "Originals" gegenüber der Musikindustrie aufgeworfen, als die CD aufkam und Musik erstmals im Supermarkt verkauft wurde. Dies sei damals der Anfang vom Ende der Schallplattenläden gewesen.

Jean-Michel wies noch einmal darauf hin, dass die binaurale und die 5.1-Version von "Amazonia" per Download erhältlich sein werden. Wer die LP oder CD kaufe, erhalte damit einen entsprechenden Download-Code. Man benötige dazu auch keine App, sondern könne die Datei einfach auf dem Computer, Tablet oder Smartphone abspielen. Über Lautsprecher sei das ganze aber eher enttäuschend, richtig funktionieren würde das Ganze nur über Kopfhörer.

Auf die Frage, ob er künftig Arbeiten auch über ein Blockchain-System entwickeln wolle, antwortete Jean-Michel, dies sei nicht der Fall. Er wolle weiterhin Alben und Konzert in traditioneller Weise produzieren. Grundsätzlich sei er natürlich immer an neuen Techologien interessiert und wolle sie erkunden, aber es habe auch alles seine Vor- und Nachteile.

Die Frage nach Plänen für ein Konzert rund um Equinoxe Infinity beantwortete Jean-Michel dahingehend, dass es da keine konkreten Pläne gebe, dass er aber sehr fasziniert sei, von der ganzen Welt und der visuellen Wirkung der "Watchers", dieser utopischen und dystopischen Welt. Er würde gerne ein audiovisuelles Konzept darum herum entwickeln, vielleicht in VR, vielleicht auch in Crypto-Art. Darüber denke er nach und so sei es denkbar, dass man bald auf andere Weise von Equinoxe Infinity hören werde.

Ob er Pläne für weitere virtuelle Konzerte in London, Italien oder Deutschland habe, beantwortete Jean-Michel so: Er habe viele Projekte in der virtuellen Welt, die er aber jetzt noch nicht verraten könne. Das Gute an virtuellen Konzerte sei, dass er nicht in Deutschland oder Italien sein müsse, sondern dass er auf dem Mond oder auf dem Meersboden sein könne, im Himalaya oder sonstwo. Aber wenn er wieder einmal richtig auf Tournee gehen könne, würde es wegen seiner Experimente in VR sicherlich nicht mehr dasselbe für ihn sein. Sein Traum wäre es, ein "echtes" Konzert mit "Augmented Reality" (AR) zu vermischen.

Jean-Michel sagte auch, dass die binaurale Version von "Welcome To The Other Side" nach der Sendung auf fip noch als Podcast erhältlich sei, aber dass er auch ein spezielles Paket rund um "Welcome To The Other Side" vorbereite, dass  möglicherweise im Juni veröffentlicht werden könne.

Die Veröffentlichung des Albums "Amazonia" am 7. April sollte zeitgleich mit der Eröffnung der Salgado-Ausstellung in Paris und Brasilien stattfinden. Allerdings seien nun aufgrund der Pandemie alle Museen wieder geschlossen worden. Die Ausstellung sei daher um einen Monat verschoben worden (7. oder 10. Mai) und solle dann bis Ende Oktober oder Anfang November zu sehen sein. Das Veröffentlichungsdatum des Albums bleibt aber unverändert. [7. April gilt allerdings nur für Downloads, physischer Release ist am 9.4. JL]
Die Ausstellung werde dann fünf Jahre lang rund um die Welt reisen, u.a. nach Brasilien, London, Tokio, New York, Berlin, Spanien und Osteuropa.
Wer Salgado nicht kenne, dem empfehle er die Wim Wenders-Dokumentation "Das Salz der Erde", die zwar nichts mit Amazonia zu tun habe, aber ein gutes Porträt von Salgado sei.

Für das "Amazonia"-Album habe er elektronische Sounds, orchestrale Klänge und organische Sounds aus der Natur verwendet und bearbeitet, sowie ethnische Sounds, Gesänge und Sprachen der amerindianischen und amazonischen Völker. Es sei eine großartige Erfahrung gewesen, mit all diesen verschiedenen Elementen zu komponieren.

Er hoffe, bald wieder live spielen und auf Tournee gehen zu können, sagte Jean-Michel. Wir alle hofften auf ein Ende dieses dunklen Tunnels, in dem wir momentan alle gefangen seien. Er hoffe, dass nach dem September oder vielleicht zum Ende des Jahres hin wieder etwas möglich sei. Sicherer zu planen sei aber wahrscheinlich erst für 2022. Denn eine große Produktion bedeute Proben, es brauche wirtschaftliche Sicherheit, um ein Projekt zu produzieren, das alles brauche etwas Zeit.
Zugleich habe er in der Zwischenzeit die Möglichkeit, die VR-Welt zu erkunden und einige Projekte zu realisieren. Er hoffe dennoch, dass es bald wieder möglich sei, sich wieder "live" zu sehen.

Abschließend präsentierte Jean-Michel noch seinen "geheimen Zwilling". ;-)

Das nächste Facebook Live zum "Amazonia"-Album soll am 7.4. stattfinden.

Zurück

Einen Kommentar schreiben

Bitte rechnen Sie 1 plus 7.

Kommentar von Heike |

Man hat den Eindruck die Pandemie lähmt ihn nicht (wie so viele andere Künstler) sondern sie pusht seine Kreativität und Schaffenskraft. Aber es gab auch gestern die Meldung, dass er sich von seinen traditionellen Synthies verabschieden wird und die an David Guetta verkauft hat.
Vermutlich ein April-Scherz ! ;-)