Konzert Nr. 9: Venedig
Auftritt auf dem Markusplatz

Zurück aus Italien können wir nun auch aus eigener Erfahrung von der Tour berichten. Wir werden noch ein bisschen brauchen, um unsere Fotos zu sichten, werden dann aber auch noch Bildergalerien ergänzen.
Bei unserer Ankunft in Venedig stand bereits die Bühne auf dem Markusplatz, die allerdings auch dort bleibt und für weitere Veranstaltungen genutzt wird. Scheinwerfer und Lautsprecher waren bereits installiert. Alles Weitere würde das Jarre-Team mitbringen, das am 2. Juli anreiste. Es war unglaublich heiß in Venedig, die Nähe zum Meer und die Kanäle machten es nicht unbedingt besser, da die Luft teilweise richtig schwül war. Wir nutzten die Gelegenheit auch zu einem Besuch der Architekturbiennale, auf der Jarres "Oxyville"-Installation zu erleben war. Die Orientierung auf dem Biennale-Gelände war etwas schwierig und "Oxyville" befand sich in einem großen Ausstellungssaal ganz am hinteren Ende. Ein relativ kleiner Raum, ganz in dunkelblaues Licht getaucht, in dem sich einige weiße Barhocker und ein Soundsystem befinden. Nachdem man auf einem der Hocker Platz genommen hat, erklärt eine weibliche Stimme, dass man die Augen schließen und zuhören soll. Musik, Klänge und Geräusche einer imaginären Stadt sollen gedankliche Bilder erzeugen. Das ganze dauert ca. 10 Minuten und besteht musikalisch größtenteils aus remixten Oxymore-Stücken. Dazu kommen dann verschiedenste Geräusche. Insgesamt entstand der Eindruck einer industriell geprägten, hektischen Stadt mit viel Verkehr und produzierendem Gewerbe und lauten Clubs. Grüne und ruhige Oasen, in denen Vögel zwitscherten nahmen nur einen kleinen Teil des Ganzen ein. Am Ende konnte man einen QR-Code scannen und auf einer speziell eingerichteten Website (www.oxyville.net) seine Kommentare, Eindrücke und Vorstellungen einer künftigen Stadt hinterlassen. Mit diesen Kommentaren soll eine KI gefüttert werden und am Ende ein Bild einer imaginären Stadt der Zukunft erstellen.
Am Abend des 2. Juli nahm Jarre erstmals den Markusplatz in Augeschein und es gab erste Lichttests.
Als wir am nächsten Morgen über den Markusplatz liefen, waren dort bereits Stühle für das Publikum aufgestellt und drumherum eine Absperrung errichtet worden. Jarre selbst war dort ebenfalls unterwegs und gab dem italienischen Fernsehsender RAI noch ein Interview. Anschließend kam er an die Absperrung, wo einige Fans (so auch wir) standen. Er freute sich sehr uns zu sehen und noch mehr, als er hörte, dass wir auch in Pompeji und Stuttgart dabei sein würden. Die große Hitze machte aber auch ihm sichtlich zu schaffen. Es wurde noch ein Video mit ihm gedreht, der eigentliche Soundcheck sollte dann am Nachmittag stattfinden.
So kam es dann auch. Gegen 16 Uhr stand Jarre auf der Bühne und produzierte an seinen Instrumenten zunächst einige Geräusche. Anschließend gab es einen kompletten Durchlauf von "Oxygene 2". Im Anschluss setzte sich Jarre dann auf verschiedene Plätze im Publikumsbereich, während Musikstücke, die beim Konzert gespielt werden würden, aus den Lautsprechern klangen. Zwischendurch ging Jarre dann immer wieder zum Mischpult, um mit dem Cheftontechniker noch Dinge zu besprechen, die seiner Meinung nach geändert werden sollten. Nachdem dies geschehen war, ging er noch mit ein paar Leuten auf die Bühne, wo Fotos gemacht wurden. Anschließend war der Soundcheck beendet. Auf den LED-Screens probten die Techniker noch mit diversen Animationen.
Beim Konzert selbst gab es nur nummerierte Sitzplätze, und man hatte die Seitengassen zum Markusplatz gesperrt und auch einen Sichtschutz aufgestellt. Die Stühle waren in mehreren Blöcken aufgestellt, zwischen denen breite Gänge gelassen waren. Man konnte vorab aber überall herumlaufen und auch vor der Bühne einen Blick auf das Equipment erhaschen. Was man vergeblich suchte, war ein Merchandising-Stand. Von innen konnten wir ein kleines Zelt sehen, das neben dem Eingang (aber außerhalb des Geländes) stand. Wir vermuteten zunächst, dass es sich hierbei um den Stand handeln könnte, die Aufstellung machte aber an dieser Stelle nicht wirklich Sinn. Zudem hörten wir von einem deutschen Fan vor Ort, dass in diesem Zelt in den Tagen zuvor Tickets verkauft worden waren, so dass es sich dabei vermutlich doch eher um die Abendkasse handelte. Nach dem Konzert war das Zelt auch leer.
Vor dem Konzert konnte man leise aus den Lautsprechern "Chronologie 4" und "Calypso 2" hören, bevor dann schließlich der Ambient-Track "Bridge From The Future", der letztes Jahr für das Bratislava-Konzert entstanden war, die Wartezeit bis zum Beginn untermalte.
Der Beginn des Konzerts war für 21 Uhr geplant, es ging dann ca. 20 Minuten später los, wahrscheinlich, damit es noch etwas dunkler wurde. Immerhin stand der Mond schön über dem Markusplatz.
Eine weibliche Stimme zählte den Countdown von "Ten" bis "Zero" und da stand Jarre hinter seinen Keyboards und legte mit "Magnetic Fields 1" los. Die neue Version wirkt durch den neuen Beat und Änderungen im Bassbereich tanzbarer, aber auch sehr frisch. Der Sound aus den Lautsprechern war perfekt, auch von der Lautstärke her. Die gigantische Batterie von Scheinwerfern am Bühnenrand strahlte in den nächtlichen venezianischen Himmel, die "Leuchtstäbe" auf den LED-Schirmen wirkten tatsächlich dreidimensional, so als ob sie rund um Jarre herum schweben würden. Die anfängliche Skepsis, dass Jarre alleine, ohne Begleitmusiker auf der Bühne steht und auch die Laser Harp nicht dabei hat, war unbegründet. Die Show bot optisch wirklich sehr viel.
Jarre begrüßte das Publikum auf italienisch und erzählte dann weiter auf englisch, dass er vor ein paar Jahren mit seiner Frau "in diesem Café dort drüben" gesessen und gesagt habe, hier würde er gerne einmal ein Konzert geben. Somit gehe für ihn heute ein Traum in Erfüllung.
Die Trackliste war beim Konzert identisch zu den anderen Konzerten. In einem wenige Tage vor dem Konzert erschienenen Interview hatte Jarre zwar auch von Stücken gesprochen, die dort ihre "Live-Premiere" haben sollten. Vermutlich war das Interview aber schon vor längerer Zeit geführt und erst jetzt veröffentlicht worden. Dabei dürfte er auch vor allem auf "Arpegiator" angespielt haben und vielleicht auch einige "Oxymore"-Tracks, die bislang ja nur in sehr kleinem Rahmen und ohne große Show zur Aufführung kamen.
Weiter ging es mit "Epica Oxygene", wobei sich ein Bild von Jarre auf den Bildschirmen immer weiter veränderte. Es folgte das eher schräge "Oxymore", zu dem ein KI-generierter Film des ungarischen Künstlers David Szauder über die Bildschirme lief, bei dem Menschen mit Gegenständen und anderen Menschen "morphten", also ineinander übergingen und verschmolzen. Das sah sehr eindrucksvoll aus. "Oxymore" ging nahtlos in "Sex In The Machine" vom gleichen Album über, bei dem farbige geometrische Formen über die Leinwände zogen. Am Ende produzierte Jarre dann noch mit einem etwas seltsam geformten Instrument namens "Waterphone", über das er mit einem Geigenbogen strich, noch einige Klänge.
Für "Oxygene 2" setzte sich Jarre wieder eine an der Brille befestigte Kamera auf, damit das Publikum ihm "in seiner Küche" zuschauen könnte. Zunächst produzierte er an seinen Gerätschaften diverse Geräuscheffekte, bevor er dann ein ruhiges Intro improvisierte, bis dann schließlich das Stück mit der bekannten Sequenz begann. Hier kamen die Laser richtig gut zur Geltung, der Platz war dafür auch kräftig "eingenebelt" worden.
Im Anschluss erklärte Jarre dem Publikum, dass Italien immer einen großen Einfluss auf sein Schaffen ausgeübt habe. Zum einen die Lebensart, gemischt mit einer gewissen Melancholie aber auch italienische Künstler, von denen er eine ganze Reihe aufzählte. Darunter war auch Luigi Russolo und sein Manifest "L’arte dei rumori" (Die Kunst der Geräusche). Elektronische Musik habe nichts mit Amerika, Rock, Jazz und Blues zu tun, sondern sei in Europa entstanden, in Frankreich, Deutschland aber auch in Italien. Das nächste Stück widmete er daher den italienischen Elektronik-Musikern. Es war "Arpegiator", das mit einer mächtigen Bass-Sequenz begann und ein tolles Live-Stück ist, das er gerne schon viel früher einmal ins Programm hätte nehmen können.
Es folgte "Zoolookologie", bei dem auch Animationen aus Bratislava zum Einsatz kamen, die aber bearbeitet und anders zusammengestellt waren. Mit "Equinoxe 7" folgte ein weiterer Klassiker. Hier schossen die Laser nicht von der Bühne Richtung Markusplatz, sondern in umgekehrter Richtung. Wenn sie dabei auf die kleinen LED-Schirme auf der Bühne trafen, zogen sie quasi ein Live-Bild von Jarre auf - ein ziemlich cooler Effekt. Auch Richtung Publikum strahlten Laser und bildeten "Trichter" oder "Tunnel". So massiv hatte Jarre bisher noch bei keiner Tour Laser eingesetzt.
Dass die Hitze Jarre ziemlich zusetzte, merkte man vor allem daran, dass er während des Konzerts immer wieder zu einem Handtuch griff und sich das Gesicht abtrocknete.
Weiter ging es mit "The Architect", bei dem ähnliche Effekte zu sehen waren, wie bei der "Electronica"-Tour. Im Anschluss folgte der "Above & Beyond-Remix" von "Zero Gravity", der beim Publikum immer wieder gut ankommt. Jarre animierte die Leute auch, zu tanzen. So recht traute sich aber niemand, da die dahinter sitzenden Zuschauer sich dann beschwerten. Die Tänzer sammelten sich dann in den Gängen zwischen den Sitzreihen, wirklich ausgelassene Stimmung kam dadurch aber nicht auf.
Sehr störend fanden wir diesmal tatsächlich die zahlreichen Leute, die versuchten das Konzert mittels Handy oder aber auch großen Kameras zu filmen. Normalerweise sehen wir das sehr entspannt, da wir ja selbst auch versuchen, für unsere Website und den Instagram-Kanal möglichst viele gute Fotos zu machen. Wir versuchen dabei aber andere, so wenig wie möglich zu stören und verzichten lieber auch mal auf ein Bild. So extrem wie in Venedig haben wir das aber auch noch nicht erlebt. Da es keine Tribüne gab und die Zuschauer alle "ebenerdig" saßen, sah man tatsächlich teilweise vor lauter Displays die Bühne nicht mehr. Ziemlich rücksichtslos wurden die Geräte sehr hoch gehoben, eine Zuschauerin stellte sich gar in den Gang und filmte nicht nur das Konzert, sondern auch sich selbst. Hinzu kamen dann noch die professionellen Foto- und Videografen, die natürlich ihrem Job nachgehen und denen man da auch keinen Vorwurf machen kann.
Es folgte das Stück "Exit". Die Botschaft Edward Snowdens wurde dabei in italienischer Übersetzung auf zwei Bildschirmen angezeigt, der Originaltext mittels Lasern auf die Gebäude projiziert. Jarre brachte sein Auge dicht an eine Kamera, so dass ein riesiges Auge auf den Bildschirmen das Publikum zu beobachten schien.
Beim folgenden "Industrial Revolution 2" kamen wieder zahlreiche Laser zum Einsatz.
Jarre sprach nun davon, dass man keine Angst vor neuen Technologien haben dürfe. Natürlich dürfe man nicht naiv gegenüber z.B. Künstlicher Intelligenz sein. Allerdings könnte sie auch eine große Hilfe, insbesondere für kreative Künstler sein. Er kündigte das Stück "Robots Don't Cry" vom "Equinoxe Infinity"-Album an und meinte, angesichts der Entwicklungen hätte er das Stück wohl besser "Robots Don't Cry - So Far" (also Roboter weinen nicht - bis jetzt) nennen sollen. Auf den Leinwänden tauchten Bilderrahmen auf, mit Blumen, aber auch Elementen des Videos, das bei früheren Konzerten bei "Oxygene 12" verwendet worden war. Das Stück ging dann nahtlos in "Herbalizer" über, beim dem Roboter auf den LED-Schirmen erschienen, die im Takt mitwippten und -tanzten.
Bei "Oxygene 19" wurde der ganze Markusplatz in grünes Licht getaucht. Die Besonderheit bei diesem Konzert war, dass die rund um den Platz befindlichen Gebäude in passenden Farben angeleuchtet wurden. Somit blieb die Show nicht nur auf den Bühnenbereich beschränkt. Immer wieder kamen massiv die Laser zum Einsatz, die am Ende des Platzes auf den berühmten Campanile und den Markusdom trafen, was viele Leute im Publikum immer wieder dazu brachte, die Köpfe zu drehen.
Es schloss sich "Equinoxe 4" (vermischt mit "Glory"-Elementen) an. Die "Watcher" bewegten sich im Hintergrund. Weiter ging es mit "Brutalism" - ein eher experimentelles Stück, aber beeindruckend umgesetzt, mit starken Scheinwerfern, die senkrecht in den Himmel strahlen, während andere im 90 Grad-Winkel dazu strahlen. Flackernde Live-Bilder Jarres tauchten auf, die ganze Show war hier schwarz-weiß dominiert.
Mit dem "Astral Projection Remix" von "Oxygene 4" ließ Jarre seinen größten Hit ein zweites Mal an diesem Abend erklingen, diesmal in einer schnellen Dance-Version. Man sah KI-generierte Gestalten, die etwas an Minions erinnerten, auf den LED-Screens wild zur Musik tanzen. Jarre selbst vollführte hinter seinen Keyboards ebenfalls einen wilden Tanz mit seinen Füßen, den die KI-Gestalten übernahmen.
Bei "Epica" tanzte eine flackernde Frauengestalt im Wechsel mit Jarres Live-Bild über die Bildschirme, grüne Laserstrahlen und weiße Scheinwerfer dominierten die Szenerie.
Mit "Stardust" endete dann der Hauptteil des Konzerts. Hier blinkte und blitze es auf sämtlichen LED-Wänden und aus allen Lasern und Scheinwerfern.
Als Zugaben gab es dann "Rendez-Vous 4", bei dem der Platz in bunte Farben getaucht wurde und schließlich noch "Magnetic Fields 2". Hier tanzten lustige, KI-generierte Gestalten über die Leinwände, während die Laser noch einmal durch den Nachthimmel zuckten.
Insgesamt ein tolles Konzert auf einem sehr eindrucksvollen Platz. Dem Publikum hatte es gut gefallen. Eine Mitarbeiterin des Jarre-Teams erzählte uns, dass die offiziellen Filmaufnahmen, die während des Konzerts gemacht wurden, Eingang in eine Jarre-Doku finden sollen, an der schon seit einiger Zeit gearbeitet wird. Dafür war über dem Markusplatz auch eine Drohne im Einsatz. Die Mitarbeiterin sagte, dass sie nun noch viel Arbeit vor sich habe, da sie für das italienische Fernsehen nun, ergänzend zum Interview vom Vormittag, die besten drei Minuten aus den Filmaufnahmen zusammenschneiden müsse - bis zum nächsten Morgen wohlgemerkt...
Damit ging ein schöner, wenn auch sehr warmer Konzertabend in Venedig zu Ende und am nächsten Tag machten wir uns dann auf Richtung Pompeji.
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Kommentar von Heike |
COOL !!! Danke für euren detaillierten Bericht.
Von dem Konzert gab es auf FB (und sonst wo) viele qualitativ hochwertige Videos zu sehen. Ich kann einerseits euren Ärger über die Rücksichtslosigkeit der Leute verstehen, andererseits freue ich mich, dass es gute Fan-Videos gibt. Ich habe deshalb beschlossen außer 2-3 schnellen "Erinnerungs-Klicks" keine Mittschnitte in Stuttgart zu machen, und mich lieber voll auf das Live-Erleben zu konzentrieren.
Hoffentlich rennen in Stuttgart nicht wieder die Biertrinker wie auf Ameisenstraßen rein und raus, und somit auch ständig auf die Toilette, um danach nachzutanken usw. Ich empfinde das als sehr störend und nicht gerade wertschätzend dem Künstler gegenüber.
Scheint eine typisch Deutsche Unart zu sein.